Alphornbauer – Alphorn Tobias

Ich kenne Tobias Bärtschi seit etwa zwölf Jahren. Nach ersten Schritten auf einem preisgünstigen Einsteiger-Instrument suchte ich damals einen Upgrade, und Tobias hatte bereits den Ruf, virtuose Top-Hörner zu produzieren. Immerhin widmete ihm kein Geringerer als Joszef Molnar eine „carte de visite“, und bezeichnete ihn darin als den besten Alphornbauer der Schweiz. Ich erwarb also ein ungewickeltes Bärtschi-Horn (heute sein Modell „Solist“), zu dem ich über die Zeit eine intime Beziehung entwickelt habe. Ihn für dieses Porträt zu besuchen, war darum so etwas wie das Wiedersehen mit einem alten Freund.

Tobias ist ein Vollblutmusiker. Schon in der Jugend spielte er Trompete und Posaune. Auch er absolvierte den Militärdienst im Armee-Spiel. Später folgte die Jazz-Schule und Engagements in Big Bands. Daneben bildete er sich zum Kunstschreiner und Restaurator aus. Dank letzterem verfügt er heute unter anderem über ein profundes Wissen über Lacke, Öle und Leime. Den ersten Kontakt zum Alphornbau hatte er bei Josef Stocker. Tobias arbeitete etwa drei Jahre bei ihm. Er spricht heute noch mit viel Respekt von den Stocker-Hörnern, die seiner Meinung nach unterschätzt werden. Als er später selber mit dem Alphornbau begann, übernahm er die Grundlagen der geschweiften Mensur, konzentrierte sich aber auf ein dünnwandiges „Berner“ Horn. Ein anderer wichtiger Alphornbauer-Kollege ist Toni von Gunten. Tobias hat Toni damals zum Alphornbau geholt, beschreibt ihn bewundernd als „genialen Erfinder“ und betont, dass ihre Alphörner hervorragend zusammen klingen. Bis vor kurzem hat Toni auch Mensur und Becher auf der gemeinsam angeschafften CNC-Maschine gefräst – nun will Tobias wieder mehr von Hand arbeiten. Er ist überzeugt, dass ein Alphorn nur dann wirklich klingt, wenn die Fertigstellung von Hand erfolgt.

Die Bärtschi-Alphörner waren schon immer Hinschauer. Inzwischen sind ungewickelte Alphörner an sich ja kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Die Liebe zum Detail zeigt sich aber immer noch bei den wunderschönen Ringen am Becherteil. Einzigartig sind die Intarsien, die Tobias auf etwa einem von sieben Alphörner anbringt (siehe im Video hier, ab ca. 2:55). Oft sind es Schweizerkreuze in rotem Zwetschgenholz, Landschafts- und Tierbilder. Bei meinem Besuch arbeitete er am Bild einer hornlosen [!] Kuh. Auch einen Totenkopf aus russischer Birke mit Zähnen aus weissen Knochen hat er schon gemacht. Intarsienbilder sind aufwändig und darum keine billige Sache. Wer aber sein Alphorn auch als Kapitalanlage sieht, wird eine solche Extra-Investition nicht bereuen.

Über die letzten zehn Jahre hat Tobias das Design seiner Alphörner im Detail verändert. Aufgefallen ist mir, dass die Handrohre etwas dicker wurden – die Wanddicke nimmt vom Fässchen zum Becher hin noch deutlicher ab. Mit einem Gewicht von etwa 2.5kg bleiben es leichte Alphörner. Ähnlich wie Toni bietet er inzwischen einen abnehmbaren Schwingfuss an (auch als Retro-Fit). Seit einiger Zeit stellt er auch vierteilige Becher her. Das Fichtenholz dazu – nicht immer Haselfichte und Mondholz – bezieht er von einer Sägerei im Melchtal. Glänzend lackierte Alphörner baut Tobias nicht mehr, seit er einen hervorragenden matten Lack gefunden hat. Auch beim innen verwendeten Öl hat er ein besseres Produkt gefunden.

Als langjähriger Besitzer eines (ungewicklten) Bärtschi-Alphorns kenne ich seine Stärken (und Schwächen) gut, bin aber vielleicht nicht mehr ganz objektiv. Klar ist: im Zusammenspiel mit anderen intoniert das Alphorn ausgezeichnet über den ganzen Tonumfang hinweg (Stimmung a1=442Hz). Es spricht mit wenig Luft sehr schnell an und klingt bis in die hohen Lagen obertonreich und brilliant. Seine grösste Stärke liegt in der Beweglichkeit sowohl bei schnellen wie auch sehr dynamischen Passagen. Ich habe noch kein Alphorn gefunden, auf dem ich ähnlich sauber bei piano pianissimo hätte spielen können. Das Instrument reagiert auch sehr direkt auf feine Veränderungen in Intonation und Klangfarbe, eignet sich darum für polyphone Experimente und ähnliches. Umgekehrt verlangt es eine präzise Kontrolle und sorgfältig Luftführung – ein Instrument für gute Bläser/innen. Ich würde es auch nicht als volumenstarkes Power-Alphorn für den rustikalen Einsatz im Aussenbereich bezeichnen.

Wer ein Bärtschi-Horn möchte, sollte sich auf eine Wartezeit von durchschnittlich einem Jahr einstellen. Sein gewickeltes „Standard“-Modell kostet 3’600CHF, das „Solist“ 4’000CHF. Hinzu kommen Alphorntasche und je nach Wunsch zusätzliche Handrohre und Stimmzug. Mundstücke stellt Tobias nicht her; er empfiehlt die Mundstücke von Fritz Frautschi. Intarsien kosten je nach Aufwand zwischen ein paar Hundert bis 2’000 Franken. Ende 2020 bis Mai 2022 musste Tobias aus gesundheitlichen Gründen eine Auszeit nehmen; seit er wieder aktiv ist, produziert er etwa 20 Alphörner pro Jahr. Er schätzt seinen Arbeitsaufwand pro Alphorn auf etwa 100 Arbeitsstunden. Hilfe erhält er bei der Herstellung vom befreundeten Schreiner Willi und dem freundlichen Werkstatt-Hund Sämi.

Es werden anderswo Alphörner mit seinem Namen vermarktete („Tobias-Horn“ oder „Tobias-Bärtschi-Horn“). Diese sind weder von ihm entwickelt noch von ihm hergestellt – Tobias distanziert sich explizit von diesen Produkten.

Fazit: Ein hochwertiges, konzertantes Instrument von einem echten Alphorn-Künstler.

Youtube Video: Deutsche Untertitel verfügbar (evt. in Youtube aktivieren)

Ein Kommentar

  1. Lieber Benno,
    Vermutlich hätte ich an den Klangeigenschaften eines Bärtsch-Horns auch Freude. Die Frage ist, ob mit Alphörnern der vielen Instrumentenbauer ein Zusammenspiel möglich ist. Die Obertöne der sechzehn spielbaren Naturtöne sollen keine störenden Schwingungen verursachen. Im Gesangsduo, —-Trio oder Chor gelingt das besonders gut, mit Sängern der gleichen Famile, aus dem gleichen Dorf. Mit der flexiblen menschlichen Stimme lernen in fremden Zungen zu singen, wenn wir uns auf eine andere Gesangskultur einlassen.

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