Alphornbauer – woodARTmusic

Anton „Toni“ von Gunten begann seine musikalische Karriere schon in der frühen Kindheit. Von der Geige gelangte er zu Klarinette und Blasmusik. Er absolvierte ein Studium in Blasorchesterleitung, später folgte eine Tätigkeit als Klarinetten- und Saxophonlehrer. Daneben beschäftigte er sich immer mit Holz; er baute während einiger Jahre originelle „urchrummi“ Möbel. Den Einstieg ins Alphorn verdankt er dem Ruf des Alphornmachers Tobias Bärtschi, den er seit der Rekrutenschule im Armeespiel – der Blasmusik der Schweizer Armee – kannte. Bärtschi hatte damals jemanden gesucht, um für ihn Büchel zu bauen. Obwohl sich Toni schon bald selbständig machen sollte, besteht die Beziehung zwischen den beiden Alphornbauern bis heute: sie kaufen zusammen Holz, teilen sich eine CNC-Maschine und unterstützen sich gegenseitig.

Im Alphornbau verfolgt Toni konsequent seinen eigenen Weg. Als bekennender Ur-Christ ist er überzeugt, dass die zahlreichen Ideen letztlich ein göttliches Geschenk sind. Er beschreibt seine Herangehensweise auch als „Weg der Sanftheit“: in sich hinein hören, der Intuition folgen und die Materialien so behandeln, dass sie natürlich und frei schwingen. So sind aussergewöhnliche, aber in sich sehr stimmige Instrumente entstanden.

Optisch machen die woodARTmusic-Alphörner einen filigranen Eindruck. Das liegt hauptsächlich an der sehr engen Mensur. Erst ganz am Schluss weitet sich das Rohr zu einem Becher mit 20cm Durchmesser. Zur Mensur stellt sich ein Eigengewicht von lediglich 1.6-1.8kg. Grund dafür ist die Wanddicke von 6mm. Toni betont, dass diese nur dank der Korkverbindungen möglich sei. Im Gegensatz zu Alubuchsen unterbricht bei dieser Bauweise kein dämmendes Fremdmaterial die Schwingungen; lediglich ein feiner Ring aus schwarzer Carbonfaser schützt die Steckverbindungen vor Brüchen. Dem Schwingverhalten dient auch die spezielle Konstruktion des Fusses. Das Alphorn spielt sich damit „auf Wolken“. Als positiver Nebeneffekt verhindert der Schwingfuss die Übertragung von Vibrationen von der Bühne bis zum Mundstück. Ein weiteres sichtbares Unterscheidungsmerkmal ist der Stimmzug, der vom Eidgenössischen Jodlerverband akzeptiert und mancherorts kopiert wurde. All diese Details sowie die fünfteilige Bauweise bedeuten einen sehr hohen Aufwand in der Herstellung. Obwohl die Becher und Rohre auf CNC gefräst werden, investiert Toni zusätzlich 90 Stunden Handarbeit in jedes Horn.

Toni baut gewickelte und ungewickelte Alphörner. Neben Fichte setzt er auf Zedernholz. Die Idee dazu übernahm er vom Geigenbau; auch bei hochwertigen Gitarren wird dünnwandiges Zedernholz verwendet. Zedernholz ist etwa 4 mal so teuer wie Bergfichte, seine akustischen Eigenschaften gelten aber als besonders edel. Ein feiner Zederngeruch ist mir an den innen und aussen geölten Instrumenten nicht aufgefallen. (Präzisierung für BotanikerInnen: Toni verwendet Holz vom in Zürich gewachsenen Mammutbaum. Dieser gehört zur Familie der Zypressengewächse, während die echte Zeder den Kiefergewächsen zugeordnet wird. Allerdings ist in der Holzverarbeitung der Begriff Zedernholz für Kieferngewächse üblich – besonders prominent bei der Western Red Cedar).

Toni hat mich in seiner Werkstatt in Reiden in vier unterschiedliche Alphörner blasen lassen: (1) ein gewickeltes Horn in Fichte, (2) ein gewickeltes Fichten-Horn mit Becher in Zeder – er nennt dies „Hybrid“, (3) ein gewickeltes Zedern-Horn und (4) ein ungewickeltes Zedern-Horn. Die Hörner wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten gebaut und illustrierten so auch die Weiterentwicklung in Design und Verarbeitung. Verändert hat Toni hauptsächlich die Position der Buchsen. Welche Anteile am Gesamtgergebnis das verbesserte Design und das unterschiedliche Material haben, konnte ich nicht auseinanderdividieren. Das Resultat ist jedoch eindrücklich: Klang und Ansprache verbessern sich von (1) bis (4) deutlich wahrnehmbar. Während das älteste Fichten-Horn (1, zudem ein „B-Stock“) noch etwas röhrig-nasal töne, weitet sich der Klang beim neusten Zedern-Horn zu einem schönen Sound, den ich einem Horn mit so wenig Masse nicht gegeben hätte. Bei der Analyse der Aufnahmen zuhause sind mir insbesondere die klareren Obertöne im Bereich 300-1’000Hz aufgefallen; sie sind offensichtlich das Resultat des verbesserten Schwingungsverhaltens. In der Intonation sind die vier Hörner über den ganzen Bereich sehr gut.

Ich fand das Spielen auf den woodARTmusic-Alphörner zuerst ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Dieses federleichte, bewegliche „innerschwizer Hörnli“ fühlt sich ganz anders an als ein massives Horn auf starrem Fuss. Man merkt auch die enge Mensur und muss für einen sauberen Klang die Luftführung adjustieren. Nach ein paar Minuten eröffnen sich aber die Qualitäten. Gefallen hat mir vorallem die Leichtläufigkeit, die mich schon fast an einen Büchel erinnerte. Fortgeschrittene BläserInnen mit einer guten Kontrolle können auf diesem Instrument ausgesprochen virtuos und dynamisch spielen.

Tonis Alphörner sind nicht billig. Sein Einsteiger-Modell „Student“ (ab 3’335 CHF) empfiehlt er selber nicht, da viele der oben erwähnten Ideen darin nicht verwirklicht sind. Ein nach verbessertem Design hergestelltes Fichtenhorn „Master“ in Fis (analog zu 1 oben) kostet 4’950 CHF, das Top-Modell „Elite“ in ungewickelter Zeder (4) 5’950 CHF. Hinzu kommen je nach Wunsch Zusatzrohre, mit denen Stimmungen in F, G, As, A, B und C möglich sind. Damit positioniert sich woodARTmusic klar in einer engen Nische. Toni verkauft jährlich eine geringe Anzahl Alphörner, typischerweise an fortgeschrittene AlphornbläserInnen oder Profis. Auf seiner Website findet man weitere Informationen und zahlreiche Fotos. Unten noch ein paar Eindrücke von meinem Besuch im Januar 2023.

Fazit: Viele originelle und in sich stimmige Ideen machen aus diesem filigranen Leichtgewicht ein beeindruckend klingendes Liebhaber-Alphorn.

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