Lippentraining

Die ersten Monate auf dem Alphorn sind für Anfänger/innen vor allem ein Kampf mit den Lippen. Schon nach ein paar Minuten Alphornspiel erschlaffen die Muskeln – dann krächzt es nur noch, hohe Töne kommen nicht mehr und die Lippen schmerzen. Der übliche Ratschlag lautet: „Geduld, es kommt schon mit der Zeit, nur nicht forcieren…“ Das mag sein. Aber gibt es nicht eine Abkürzung? Wie war das nochmal mit dem Bodybuilding für die Lippen?

Wer sich zum Thema Lippentraining schlau macht, findet verschiedene Übungen und Trainingsgeräte. Im Zentrum steht dabei die Stärkung des Lippenringmuskels. Dafür gibt es drei Aufgaben:

  • Zusammendrücken der Lippen – eventuell um einen runden Kern: meistens werden solche Übungen explorativ durchgeführt (auch vor einem Spiegel); als Trainingsgerät kann man den Lipmaster von Markus Arnold kaufen.
  • Zurückhalten eines dünnen Gegenstandes mit den Lippen: am einfachsten hält man mit den Lippen einen Bleistift fest und zieht mit den Fingern daran. Trainingsgeräte wie der Jericho Lippenexpander (empfohlen von Malte Burba), Lippenhanteln, und der Warburton P.E.T.E. (oder die chinesischen Kopien) beruhen auf diesem Prinzip.
  • Einen Gegenstand waagerecht halten: bei der klassischen Version hält man dabei einfach einen Löffel zwischen den Lippen; edler ist der Vario Liptrainer mit verstellbarem Gewicht / Hebelarm.

Für einen effektiven Muskelaufbau sind die Regeln des Bodybuildings zu beachten: mehrere Serien, Training bis zur Erschöpfung, Regeneration (ein Tag Pause). Wichtig ist auch, Krafttraining immer mit Übungen zur Flexibilität zu kombinieren, sonst wird alles zum Murks und der Ansatz steif. Wie im Sport sollte das Krafttraining nur Teil eines ausgewogenen Trainingsplanes sein. Wer so systematisch trainiert, wird seinen Lippenringmuskel zweifellos stärken.

Aber bringt das Ganze tatsächlich etwas für das Alphorn? Die Meinungen dazu gehen auseinander. In der nicht-repräsentativen Umfrage in meinem Alphorn-Umfeld überwiegen die Skeptiker. Tatsächlich kenne ich einige Alphornbläser/innen, die in ihrem Werdegang das Lippen-Bodybuilding probiert haben, aber kaum jemand praktizierte es über eine längere Phase hinweg systematisch und erfolgreich. Der Haupt-Kritikpunkt lautet: Kraft in den Lippen ist nur ein (untergeordneter) Teilaspekt eines guten Ansatzes; wichtiger ist die Verbesserung von Koordination und Feinmotorik. Während wir daran arbeiten, entwickeln sich unsere Muskeln von selber.

Ich bin zudem zur Überzeugung gelangt, dass die herkömmlichen Lippentrainer die falschen Muskelgruppen trainieren. Um Lippenspannung für den Ansatz zu erzeugen, spielen drei Kräfte zusammen: (1) Zusammendrücken durch Kontraktion des Lippenringmuskels, (2) Gegendruck durch Anschmiegen „in das Mundstück“ und (3) Verfestigung des Gewebes durch Auseinanderziehen der Lippen (siehe z.B. die Erläuterung in Lektion 4 des Grundkurses auf dieser Website). Herkömmliche Lippentrainer fixieren sich alle auf (1) – die Kontraktion. Aber ist dies wirklich das schwächste Glied? Wird dieser Muskel nicht schon im täglichen Gebrauch (beim Essen, beim Schmollen…) trainiert? In der Praxis manifestieren sich erschöpfte Lippen nämlich anders: wir schaffen es nicht mehr, einen Gegendruck ins Mundstück aufrecht zu erhalten. In diesem Moment der Kapitulation können wir die Lippenspannung nur noch durch Quetschen aufrecht erhalten – die Lippen werden dann zwischen den Zähnen und dem Mundstück zermamscht. Im Sinn eines ausdauernden Ansatzes geht es also darum, die Kräfte (2) und (3) zu verbessern.

Eine gute Erklärung für diese Philosopie, die sich auf das „von den Zähnen weg“ und „Lippenspitzen auseinander“ findest du im Video von Adam Rapa hier:

Adam Rapa schlägt in seinem Video eine isostatische Übung vor. Ich habe mir alternativ ein entsprechendes Trainingsgerät aus ein paar wenigen Teilen aus dem Baumarkt gebastelt: eine M4 Delrin-Schraube (das Gewinde bis auf die letzten 2 cm abgeschliffen), eine passende Mutter, eine Druckfeder, und ein breite Unterlagscheibe (für angenehmeren Lippenkontakt mit medizinischem Tape abgeklebt). Gesamtkosten knapp 3 Franken. Den Schraubenkopf hält man zwischen den Zähnen fest; die Lippen drücken dann die Unterlagscheibe von den Zähnen weg. Der Bewegungsablauf sieht so aus:

Meine ersten anekdotischen Erfahrungen im Selbstversuch und mit einzelnen Schüler/innen sind positiv: in kurzer Zeit verbesserte sich die Ausdauer und – vorallem – die Fähigkeit, eine stabile luftdichte Verbindung zwischen Lippen und Mundstück zu formen. Ob dies tatsächlich das Resultat eines Muskelaufbaus ist, oder ob durch die Übung die Feinmotorik verbessert wurde, werden wissenschaftliche Studien zeigen müssen…. Vorbestellung für die Luxusversion des Alphornbankster Lip Trainers nehme ich schon einmal entgegen;-)

3 Kommentare

  1. Hallo Benno,
    Ich halte Lippentraining für unnötig. Während meinen Lehrjahren, gab es schon Momente, wo einfach nichts mehr ging. Einmal hatte ich taube Lippen,so als hätte der Zahnarzt mit der Narkosespritze versentlich in die Lippen betäubt, statt die Zahnwurzel. Mit Nachfragen lernte ich müheloses spielen. In letzter Zeit frage ich mich immer mehr, ob die Lippenvibration entscheidend ist. Wir müssen irgendwie den Ton zum klingen bringen und mit Hilfe des Mundstücks, den Ort treffen, wo der Ton optimal einschwingt. Klangvorstellung hilft mir sehr. Es braucht nur noch einen winzigen Impuls mit der Zunge, keinen Schlag. Die Erfahrung auf dem Büchel hilft mir auf dem Horn die Klänge ähnlich zu spielen.

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