Alphornbauer – Silver & Brass

Brandi und Lindsey Jones sind meines Wissens das einzige Alphornbauer-Ehepaar der Welt. Sie kennnen sich schon seit der Schulzeit. Musikalisch gingen sie als untrennbares Duo den Weg über die Posaune zum Waldhorn. Lindsey beendete sein Studium vorzeitig und widemete sich ab 2013 mit seinem Unternehmen „Silver & Brass Musical Instruments“ in Nevada der Restauration von Blechblasinstrumenten. Brandi stieg vollzeit in das Geschäft ein, als es genügend Umsatz zu generieren begann, um die Lebenskosten des jungen Paares zu decken. Erst 2019 sind die beiden über das Alphorn Institute von Tony Brazelton zum Alphorn gekommen. Das Instrument ist für sie eine perfekte Kombination zwischen ihrer Freude am Wandern in den Bergen und der Musik. Seither suchen sie das perfekte Echo. Das Alphorn ist zu einem professionellen Standbein geworden. Oft werden sie für Geburtstage, Hochzeiten, kommerzielle Veranstaltungen und Oktoberfeste engagiert (für uns Schweizer etwas gewöhnungsbedürftig wird in den USA das Alphorn mit Lederhosen und Dirndl in Verbindung gebracht). Bei ihrem Besuch waren sie gar in Verhandlungen für eine Festanstellung in einem Luxushotel. Daneben leiten sie mit den Sierra Alphorn Players ein offenes Amateuerensemble.

In den Alphornbau sind sie eingestiegen, weil es in den USA schwierig ist, Alphörner in anständiger Qualität zu einem vernünftigen Preis zu finden – Import und Transport verteuern Hörner aus Europa schnell einmal um 1’000 USD. Die Suche nach cleveren, kostengünstigen Lösungen zieht sich wie ein Roter Faden durch ihre Arbeit. Das reflektiert sich in ihrer Bausweise und den Weiterentwicklungen – wie dem Versuch mit einem viereckigen „Squalphorn“. Oder beispielsweise bei den Buchsen: sie kaufen dafür im Brockenhaus rezyklierte Wasserflaschen aus Stahl, Aluminium oder Bronze. Die Becher fräsen sie nicht aus einem Block sondern verleimen dünne Holzringe. Eine Herausforderung ist für sie, lokales Holz zu finden, das sich für den Alphornbau eignet; Home Depot führt mehr Import- als Klangholz.

Lange haben die beiden mit unterschiedlichen Designs experimentiert; mehr als zwanzig Prototypen entstanden. Nun haben sie sich auf drei Basismodelle festgelegt. Da sind zuerst die Hörner, die sie wie Weinfässer aus Dauben zusammenbauen. Gerne verwenden sie Redwood und Holz in unterschiedlichen Farben (in der Gallerie unten Lindseys Horn). In ähnlicher Bauweise stellen sie auch Alphörner in Übergrösse her – eine Oktave unter einem normalen F-Horn. Das zweite Modell sind Hybrid-Alphörner mit einem Innenleben aus Carbon und einer Holz-Furnier-Optik. Die Wahl von Carbonfasern erfolgte nach verschiedenen Versuchen, weil das Material sehr steif ist – weniger aus Gewichts-Überlegungen. Das Furnier wickeln sie in Streifen um eine Zwischenschicht. So entsteht eine Aussenhaut, die ein bisschen an eine alte Rindentrompete erinnert (in der Gallerie unten Brandis Horn). Schliesslich sind da die Hörner, die sie aus ganzen Baumstämmen fertigen. Das Holz dazu fällen sie selber im Staatswald. Um Spannungsrisse zu vermeiden, arbeiten sie sehr schnell am noch grünen Holz. Fällen, Entrinden, Spalten, Ausnehmen und wieder Zusammenkleben – alles ausschliesslich in Handarbeit – erfolgen in einem Zeitfenster von vier Tagen. Erst dann wird das Instrument langsam und sorgfältig getrocknet. Die so entstehenden Alphörner – sie nennen dies „Wurzhorn“ – sehen roh und spektakulär aus.

Brandi und Lindsey nahmen 2023 am Festival von Nendaz teil und besuchten auf dem Weg den Workshop mit Natalie Grana auf der Bannalp. Für diese Reise mussten ihre Instrumente einen besonderen Anforderungskatalog erfüllen: Beide Hörner sollten in einem üblichen Koffer Platz haben (dafür verbauten sie zusätzliche Buchsen und steckten Brandis Horn in Lindseys Horn), auf Carbon musste wegen dem Reglement in Nendaz verzichtet werden (Brandis Horn hatte darum einen Hickory-Kern) und sie sollten die Flugreise ohne Hartschale überleben (darum verbaute Lindsey in seinem Horn extra-schwere Buchsen). Trotz all dieser Kompromisse konnte ich aus nächster Nähe beobachten, wie gut die Instrumente klingen. Gerade im eingespielten Duo intonieren und harmonieren die Instrumente wunderbar. Lindseys Horn hat sehr viel Power und reagiert trotz der Masse sehr flexibel. Selbst Tobias Bärtschi zeigte sich bei einem Besuch der Alphornbauer-Kollegen stark beeindruckt von der Spielbarkeit. Ich selber fand, dass das Instrument relativ viel Kraft braucht, ansonsten aber gut anspricht. Brandis Horn ist etwas gewöhnungsbedürftiger; aufgrund des fehlenden Carbon-Kerns und der sehr engen Mensur hängt es beim Spielen stark und schwabbelt bei jeder Bewegung. Trotzdem bläst Brandi damit einen präzisen, soliden und warmen Bass. Ich gehe davon aus, dass die „normalen“ Silver & Brass Hörner ohne den erwähnten Einschränkungen von nochmals besserer musikalischer Qualität sind – hoffentlich ergibt sich die Möglichkeit, eines ihrer „Wurzhörner“ auszuprobieren!

Auf der Plattform alpensong.com findet man ein Angebot ihrer Alphörner. Der typisch Preis für ein Hybrid oder Redwood-Horn beträgt etwa 2’500 USD; Lieferfristen sind verhandelbar. Mehr Informationen über Brandi und Lindsey findest du auf den Websites der Sierra Alphorn Players und von Silver & Brass. Unten meine Eindrücke von ihrem Besuch beim Hinterburgseeli; darunter als Bonus der Post des RTS von Nendaz mit Brandi im Interview.

Fazit: Originelle und überraschend gut klingende Alphörner aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein erfrischendes und liebenswertes Alphornbauerpaar, das unbeschwert und mit viel Sachverstand seinen Weg geht.

Youtube Video: Deutsche Untertitel verfügbar (evt. in Youtube aktivieren)

Bonus: Beitrag der TSR vom Festival Interantional de Cor des Alpes in Nendas 2023, inklusive kurzem Interview mit Brandi.

Ein Kommentar

  1. Es war eine grosse Freude Brandi & Lindsey Jones auf der Bannalp kennen lernen zu dürfen. Danke Benno für das Brücken bauen. Die beiden Hörner haben im Klang etwas besonderes, sie wurden durchs Reisen und Spielen der Erschaffenden beseelt.

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