Durch Singen zum musikalischen Alphornspiel

Das Alphorn zeigt eine einzigartige, zeitlose Schönheit in seiner natürlichen Erzeugung der Obertonreihe; ein Klang, der durch seine Resonanz und Einfachheit besticht. Ohne Klappen oder Ventilen sind die Alphornbläser/innen aber selber dafür verantwortlich, die richtige Tonhöhe im Voraus zu hören. Im Gegensatz zu einem Klavier oder einer mit Bünden versehenen Gitarrensaite gibt das Alphorn dem Spieler keine direkte Rückmeldung über die Tonhöhe. Aus diesem Grund erfordert es eine sehr klare musikalische Intention und einen Sinn für das innere Hören. Wie jede andere Komponente der Spieltechnik muss dieser entwickelt werden. Der große Musikpädagoge Zoltan Kodály beschrieb dies mit den Worten: „Wir sollten Musik so lesen, wie ein gebildeter Erwachsener ein Buch liest: in der Stille, aber den Klang abbildend.“

In diesem Video zeigt Natalie ihre Methode für Alphornspieler/innen.
Deutsche Untertitel verfügbar (evt. in youtube aktivieren) – Beispiele für Alphorn in F.

Der wichtigste Prozess zur Entwicklung dieser Fähigkeit ist das Singen. Um schön und genau zu spielen, muss man das Singen genauso üben wie die Artikulation, den Tonumfang oder jede andere Facette der Tonerzeugung. Das Singen bietet die Möglichkeit, sich mit der musikalischen Intuition zu verbinden, ohne sich um die Technik zu kümmern. Dabei können wir die angeborene Fähigkeit geniessen, Musik ohne Instrument zu schaffen. In der Praxis zeigt sich, wann ein ausgeprägter Sinn für die Tonhöhe vorhanden ist und wann er verfeinert werden muss.

Die Tonhöhe, die wir hören und singen, reproduzieren wir intuitive mit den Lippen und damit zum Ton, der aus dem Schalltrichter des Horns herauskommt. Daher ist das Buzzing (Summen) nach dem Singen ein wesentlicher Schritt, um die musikalische Vorstellung mit dem Horn zu verbinden. Es ist die Übung, die dem Singen auf dem Instrument selbst am nächsten kommt und repräsentiert, was der Spieler innerlich hört und wie gut er es mit seinem Ansatz reproduzieren kann.

Durch das Singen und die Entwicklung des Gehörs wird das Spiel auf dem Instrument mühelos und zu einer natürlichen Erweiterung unserer Stimme. Damit können wir genauer, musikalischer und mit grösserem Selbstvertrauen spielen.

Gesang und Gehörbildung

Solfège, das Singen auf Silben, ist ein jahrhundertealtes System, um das Gefühl für die Tonhöhe zu schulen. Durch die Wiederholung dieser Silben kann der Hornist die Tonhöhenbeziehungen verstärken und musikalische Muster erkennen. Zur Anwendung kommt das bewährte System der Solmisation, also die heute noch in den lateinischen Sprachen verbreiteten Notennamen:

Die Silben sind ein Hilfsmittel, um die in der Musik vorkommenden Intervalle genau zuzuordnen und ein starkes Gefühl für die relative Tonhöhe zu entwickeln. Sobald ein Musiker jede Tonhöhe auf der entsprechenden Silbe singen kann, ist er in der Lage, neue Musik fliessend vom Blatt zu lesen, indem er die Silben so anordnet, wie sie in einer beliebigen Melodie vorkommen. Dies funktioniert ähnlich wie die Buchstaben, die es dem Leser ermöglichen, Wörter und Sätze in seinem Kopf zu bilden.

Das Solfege der Anfangsphrase von „Chorale für Luzern“ sieht wie folgt aus:

Singübung

Beginne damit, diese Anfangsphrase auf dem Solfege zu singen, sie auf dem Mundstück zu summen und sie auf dem Horn zu spielen. Widerstehe der Versuchung, eine der Tonhöhen auf dem Horn zu spielen, bevor du sie singst, und verlasse dich nur auf dein Gehör.

Als Nächstes singst du die zweite Hornstimme auf dem Solfège. Es sind nur drei Silben erforderlich: mi, sol und do. Dann summst du die zweite Hornstimme auf dem Mundstück und spielst sie auf dem Horn.

Als letzten und fortgeschritteneren Schritt singst du die zweite Hornstimme, während du den Rhythmus der ersten Hornstimme klatschst. So trainierst du das innere Gehör und schärfst deinen Sinn für Mehrstimmigkeit, d. h. die Fähigkeit, in mehr als einer Stimme zu denken und zu hören. Dies ist wichtig, wenn man in einem Ensemble mitspielt.

Übung für das innere Hören

Der Anfang von „Uf de Bänkliap“ besteht aus denselben Silben wie der „Chorale fur Luzern“: do, re, mi und sol.

Singe den Anfang auf Solfege:

Übe das innere Hören, indem du „Uf de Bänkliap“ noch einmal singst, diesmal im Rhythmus klopfst oder klatschst und nur die Sterntöne laut singst, während du die anderen Tonhöhen lebendig hörst und innerlich mitsingst.

Wiederhole den Vorgang, mit Buzzing auf dem Mundstück und dann auf Alphorn. Diese Art von Übung kann auf jedes Alphornrepertoire angewandt werden; limitiere dich abwechselnd darauf, bestimmte Arten von Rhythmen (nur Achtel oder Viertel usw.), Tonhöhen (nur Sol oder Mi usw.) oder bestimmte Schläge laut zu singen (nur Schlag 2 jedes Taktes usw.). Versuche dabei immer, in deiner musikalischen Vorstellung so laut wie möglich mitzusingen – auch wenn du nicht physisch laut singst. Je realer die Stimme im Kopf ist, desto genauer wird das Buzzing und die Tonhöhe deines Horns.

Das Ziel der musikalischen Praxis

Das schönste Alphornspiel entsteht mit bewusster Absicht, als Abbild deiner musikalischen Vorstellung und deiner Gefühle. Der Klang des Instruments ist schön, aber es sind dein Atem und deine Gefühle, die ihm Leben einhauchen. Alphornbläser/innen tragen am meisten zum Erbe dieses schönen Instruments bei, wenn sie nicht nur ihre Technik, sondern vor allem auch ihre Musikalität weiterentwickeln.

Weiterführende Informationen

Deutschsprachige Website zur Solmisation: solmisieren.de.

Hier kannst du zudem mein Somnization Cheat Sheet herunterladen.

Ein Kommentar

  1. Hallo Benno
    Unsere Ohren sind ein bisschen verdorben von der chromatischen Stimmung. Wir müssen zuerst lernen die 16 Naturtöne zu erkennen mit den Klangfärbungen do re mi fa so la ti do. Mich hat Obertonsingen unterstützt die Intervalle zu hören, das Alphorn hat mir geholfen die Klangvorstellung meiner Stimme in der Höhe singenderweise zu erforschen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert