Die Alphornmacherei bei Eggiwil im Emmental ist eine Schweizer Alphornbau-Dynastie. Ernst Schüpbach hatte hier 1925 sein erstes Alphorn gebaut und später seinen Schwiegersohn Hansruedi Bachmann in das Handwerk eingeführt. Seit 2008 leitet Walter Bachmann den Familienbetrieb in dritter Generation. Dazu gehört auch ein Bauernhof mit zwölf glücklichen Kühen, der heute noch etwa einen Drittel zum Einkommen beiträgt. Wenn Walter liebevoll über seinen „Grossäti“ (Grossvater) spricht, erzählt er somit Alphornbau-Geschichte aus erster Hand. Die Alphornmacherei hat miterlebt, wie sich einteilige Alphörnern aus schräg gewachsenen Tannen zu mehrteilige Instrumenten aus unterschiedlichen Holzarten entwickelten. Sie hat gesehen, wie die Vorlieben zwischen dicken und dünnen Wandstärken über die Jahrzehnte hin- und herpendelte, wie die lokalen Unterschiede in der Bauweise langsam verschwinden. Und sie hat Erfahrung gesammelt, wie man das Holz zum Klingen bringt.
Walter ist nach jugendlichen Wanderjahren ins Emmental zurückgekehrt. Auch das Alphorn hat er nach Umwegen über Blechblasinstrumente wiederentdeckt. Inzwischen ist er ein ausgezeichneter Alphornbläser, der an Jodelfesten nicht nur in der ersten Kategorie spielt, sondern sich auch getraut, dabei frei zu improvisieren. Seinen Ansatz im Alphornbau beschreibt Walter als „Tüfteltum“ – mehr Kunst als Wissenschaft. Jedes Holz hat andere akustische Eigenschaften; darum bringe es nichts, eine theoretisch optimale Alphornmensur mit einer CNC-Maschine auf den 1/1000-stel Millimeter genaue zu reproduzieren. Statt dessen hört Walter genau auf den Klang des Holzes – bei der Auswahl, bei der Bearbeitung, beim ersten Versuchston – und nutzt seine Erfahrung, um das Instrument auf diesen Sound auszurichten. Konkret zeigt sich dies im Becher, dessen Wandstärke zwischen 6-10mm variieren kann. Damit hat auch jedes Bachmann-Alphorn einen individuellen Klang.
Aufgrund des Verzichts auf CNC-Maschinen und Kopierfräsen beträgt der Arbeitsaufwand für ein Alphorn rund 80-85 Stunden. In der Werkstatt erhält Walter Unterstützung vom benachbarten Holzkünstler Roland Schenk. Vater Hansruedi arbeitet weiterhin im Betrieb mit, hat in den letzten Jahren aber sein Pensum reduziert. So entstehen in der Alphornmacherei noch etwa 25 Instrumente pro Jahr.
Die klassischen Bachmann-Alphörner sind dreiteilig und werden aus Haselfichte oder Arve gebaut. Holz bezieht Walter von verschiedenen Waldbesitzern in der Gegend, die Arve teilweise auch aus dem Bündnerland. Vom Mondholz ist er abgekommen; er hat beobachtet, dass Mondholz zwar sehr stabil lagert, dem Sound aber Resonanz fehlt. Optisch fallen an den Alphörnern die beiden Holzringe am Becher auf, welche Onkel Fritz Christen-Schüpbach dreht und schnitzt. Das Füsschen ist mit „Bachmann’s Alphornmacherei“ signiert. Bei meinem Besuch waren zwei der neun fertigen Instrumente mit (überdurchschnittlich schöner) Bauernmalerei verziert. Seit 2014 baut Walter auch ein mehrteiliges „89er“-Edelweissalphorn. Als Unterscheidungsmerkmal prangt ein Edelweiss aus Perlmutt auf dem vorderen Ringe. Die Entwicklung dieses Instruments hatte ein Biker angestossen. Es sollte ein sehr herausforderndes Projekt werden: Walter erzählt, dass ihn die zusätzlichen Buchsen viel Kopfzerbrechen und zahlreiche Versuche kosteten, bis Klang und Intonation wieder stimmten. Inzwischen macht das Modell rund die Hälfte der Produktion aus.
Durch Zufall durfte ich am Vortag meines Besuchs ein dreiteiliges Bachmann-Alphorn eines Freundes ausprobieren. In der Alphornmacherei standen dann nochmals neun frisch fertiggestellte Alphörner. Ich habe in ein mehrteiliges Modell, ein dreiteiliges in Fichte und ein dreiteiliges in Arve geblasen. Alle hatten einen sehr vollen Sound mit starker Dynamik. Im Crescendo hatte ich das Gefühl, dass ab einer bestimmten Stufe der Turbo zuschaltet und sich ein weit tragender Klangteppich ausbreitet. Trotzdem lassen sich die Hörner auch sehr lieblich in der Höhe spielen. Die Töne sitzen relativ fest, lassen sich nicht beliebig biegen, und die Übergänge und Sprünge verlaufen sehr zivilisiert. Aufgrund der Masse brauchen die Hörner etwas mehr Kraft als dünnwandige Modelle. Bei der Intonation konnte ich keine nennenswerten Probleme feststellen. Wie erwartet klang das Arven-Horn etwas wärmer. Im Gegensatz zu früher verwendet Walter heute Arvenholz mit feiner Maserung; darum ist der Unterschied auch nicht mehr so ausgeprägt. Das mehrteilige Modell konnte im Klang mit dem dreiteiligen gut mithalten.
Für mich besonders interessant war auch das „echte“ Es-Horn – kein Fis-Horn mit Verlängerung – das Walter für die Gruppe „Estragon“ aus Thun gebaut hat. Beim Blasen auf diesen Instrumenten wird auch der Bizeps trainiert: Walter baut die Rohre aus Holz mit hohem spezifischem Gewicht und braucht leichteres Holz für den Becher. Der Sound dieses XL-Instruments war bombastisch. Die längere Luftsäule braucht einiges an zusätzlichem Druck, dafür kann man in der Höhe bis über das e3 hinaus spielen.
Der Preis für ein dreiteiliges Bachmann-Alphorn in Fis beträgt 3’080 CHF, in F 3’200 CHF. Den Preis für das mehrteilige Edelweiss-Alphorn verrät Walter auf Anfrage. Betreffend Lieferfristen hat Walter gemerkt, dass viele Kunden im Zeitalter von Amazon nicht bereit sind, mehr als ein Jahr auf ihre Bestellung zu warten. Er hat darum die internen Abläufe optimiert, kann dadurch etwas zeitnaher zu produzieren und liefert aktuell innerhalb von sechs Monaten. Dabei geht er auch auf individuelle Wünsche ein – so hat er beispielsweise ein dünnwandigeres Horn für Hans Stettler hergestellt. Die Alphornmacherei kann man auch mit Klein- und Grossgruppen besuchen. Auf der Website von Bachmann’s Alphornmacherei findest du weitere Fotos, Filme und Informationen. Unten ein paar Eindrücke von meinem Besuch vom 17.2.2023.
Fazit: Mit einem Jahrhundert Erfahrung werden hier Alphörner in Handarbeit gebaut, welche die individuellen Eigenschaften des Holzes zum Klingen bringen. Sehr traditionelle Instrumente mit einem vollen Sound.
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