Alphornbauer – Bernatone

Von der Burg Unspunnen bei Interlaken, dem Austragungsort des ersten Alphorntreffens von 1805, führt eine Strasse sieben Kilometer hinauf nach Habkern. Dort baut Heinz Tschiemer die Bernatone-Alphörner. Die Nähe zur Tradition beschränkt sich nicht auf die Geografie: für Heinz ist das Alphorn ein Teil der Hirtenkultur, in der er aufgewachsen und fest verwurzelt ist. Neben Alphörnern stellt seine Familie auf dem eigenen Hof Bergkäse her; sein Vater hat eine Sägerei, die auch das Holz für die Hörner liefert. Heinz hat Bernatone 2012 von Arnold von Allmen übernommen – damals war er gerade erst 29-jährig. Seither hat er die Alphörner im Vollzeit-Pensum stetig weiterentwickelt.

Solides Handwerk steht in seiner Philosophie im Vordergrund. Dass dies authentisch ist, merkt man beim ersten Händedruck. Heinz hat grossen Respekt vor den Alphornbauern, welche vor hundert Jahren die rustikalen Naturhörner zu Musikinstrumenten weiterentwickelten. Trotzdem setzt er auf moderne Produktionsmethoden. Schon sein Vorgänger hatte als erster CNC-Maschinen eingesetzt, und Heinz geht diesen Weg konsequent weiter. Zwei grosse CNC-Maschinen stehen im Zentrum seiner Werkstatt. Hauptargument ist die Konstanz: die so produzierten Hörner sind in Klang und Intonation praktisch identisch. Hinzu kommt die Effizienz: Dank dem Einsatz von Computer-gestützten Maschinen benötigt ein Bernatone-Alphorn, bis es den Laden verlässt, noch 50 Arbeitsstunden. Zusammen mit einem Teilzeit-Mitarbeiter produziert Heinz so bis zu 60-70 Alphörner und 5-10 B-Büchel pro Jahr.

Die konsequente Verwendung von Klangholz aus der unmittelbaren Umgebung ist eines seiner Verkaufsargumente. Das Holz kommt aus 1300 bis zu 2000 Meter über Meer. Mit der Sägerei in der Familie hat Bernatone zugriff auf hervorragendes Ausgangsmaterial. Mondholz kann er jedoch nicht garantieren, da man dem Baum das Klangholz erst in der Sägerei ansehe und die Holzfäller nicht nur an drei Tagen im Jahr arbeiten können.

Im Aussehen produziert Bernatone klassische Berner Alphörner – extravagant sind lediglich die rot eloxierten Buchsen (wie Prada-Damenschuhe?). Mit 3.5-4kg für ein Fis-Horn liegen sie auf der massiven Seite. Der Becher hat einen Aussendurchmesser von 22cm. Die Verarbeitung ist sauber auf hohem Niveau. In Alphörner sind innen geölt und aussen lackiert. Heinz ist kein Fan von ungewickelten Alphörnern. Der Reifen am Übergang zwischen Pedigrohr und Becher ist seine Verbeugung vor der Kunst der Weissküfer wie eines Adolf Oberli. Das schlichte Füsschen signiert er mit „Tschiemer“.

Die alten Bernatone-Hörner hatten betreffend Intonation nicht den besten Ruf. Heinz hat das Innenleben seiner Instrumente jedoch weiterentwickelt und arbeitet dabei seit 2014 eng mit Sami Lörtscher zusammen. Mit ihm zusammen stimmt er jedes Horn exakt auf a1=442Hz. Zur Anwendung kommt auch das B.I.A.S. System, mit dem Intonation und Ansprache objektiv gemessen werden können. KundInnen erhalten ein Zertfikat, das die präzise Stimmung dokumentiert. Die kontinuierliche Weiterentwicklung hat sich ausbezahlt. Ich konnte in seinem Verkaufsraum je zwei 3- und 4-teilige Alphörner anspielen. Alle Instrumente intonierten zwischen c und c“‘ sehr nahe an der theoretischen Naturtonleiter; die minimen Abweichungen um 10-12 Cts im Bereich g‘ bis c“ sind für halbwegs geübte BläserInnen kein Problem. Die Tonsprünge verlaufen klar (vor allem nach oben) und die Töne sitzen sehr solide; umgekehrt lassen sie sich nur beschränkt beugen. Positiv aufgefallen ist mir, dass die Hörner schon mit sehr wenig Luft einen runden Klang produzieren. Die Obertöne sind über den ganzen Dynamik-Bereich – von pianissimo bis fortissimo – schön regelmässig verteilt. Schnelle Passagen lassen sich sauber spielen, allerdings fand ich das Staccato relativ weich. Hinsichtlich Klang, Ansprache und Intonation konnte ich zwischen 3- und 4-teiligen Hörnern keinen nennenswerten Unterschied feststellen.

Ein Bernatone-Alphorn mit Tasche „robusto“ und zwei Mundstücken kostet 3’600 CHF (3-teilig) bzw 3950 CHF (4-teilig). Die Hörner sind in Fis gebaut; für Stimmung in F gibt es Verlängerungen oder allenfalls separate Handrohre. Heinz produziert jeweils 6er oder 8er-Serien und verkauft diese innerhalb kurzer Zeit nach Fertigstellung. Wer ein Bernatone-Horn möchte, sollte also strategisch seinen Besuch planen. Zusätzliche Informationen und Videos findet man auf der Website von Bernatone. Ein Besuch in Habkern lohnt sich schon alleine wegen der Sammlung an historischen Alphörnern im Verkaufsraum. Im Video unten ein paar Eindrücke von meinem Besuch am 19.12.2022.

Fazit: Ein qualitativ hochstehendes, solides Alphorn. Runder, schöner Klang. Ein sympathischer Alphornbauer mit dem Stallgeruch der traditionellen Alphornszene, der sich laufend weiterentwickelt und (hoffentlich) noch lange im Geschäft bleibt.

Ein Kommentar

  1. Danke Benno für den Besuch bei Heinz. Mein Alphorn habe vor sechs Jahren gekauft und bin fleissig am üben. Im Vergleich zu Hörnern aus anderen Werkstätten fällt mir der grosse Becher auf. Am Anfang hatte ich den Eindruck als müsste ich den Klang im Rohr zurückhalten oder mit der Schalldämpfer-Kiste am Entweichen hindern. Deine Bemerkung über das Staccato hat vielleicht auch mit der Becherform zu tun. Beim spielen draussen in der Natur gibt es natürlich Unterschiede ob an einem lauen Sommerabend oder im Winter die kurzen Töne klingen sollen.

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