Die Gelegenheit für dieses Portrait ergab sich anlässlich eines Auftritts von Frapepi am Uhuru Festival 2023. Unterwartet wurde es etwas chaotisch: Ein Sturm auf dem Weissenstein zerfetzte die Zelte der Festivalbesucher/innen, und noch während dem Konzert musste das Gelände evakuiert werden. Immerhin fanden wir für Interview und Testspiel eine halbwegs ruhige Scheune.
Franz Schüssele ist ein Alphorn-Tausendsassa. Seine musikalische Karriere begann er als Posaunist in der klassischen Musik und im Jazz. Später interessierte er sich für die allemannische Volksmusik und gründete die skurile Band Gälfiäßler. 1983 entdeckte er das Alphorn und begann dafür zu komponieren. Unter anderem schrieb er ein Messe für Alphörner und Chor. Als Alphornist spielte er auch neuere klassische Werke mit Orchester ein. Während die Posaune etwas in den Hintergrund rückte, setzte er sich mit anderen Oberton-Blasinstrumenten wie Obertonflöten, der Lure, Carnyx und dem Serpent auseinander. Dabei ist er zu einem Sammler geworden, der seine 150 Naturtoninstrumente als Wanderausstellung an Museen verleiht. Über das Orchester von Rüdiger Oppermann kam er 2010 zur Weltmusik. Heute serviert seine Formation Frapapepi einen Cocktail aus Alphorn, mongolischem Obertongesang und afrikanischer Perkussion. Neben der Musikerkarriere ist Franz schreibender Musikforscher. Sein im Jahr 2000 erschienenes Buch „Alphorn und Hirtenhorn in Europa“ stellt das Alphorn in den Kontext der in ganz Europa verbreiteten Hirtenhörner („Wer hat’s erfunden?„). Aktuell arbeitet er an einem Erweiterung auf Naturtoninstrumente aus der ganzen Welt. Im Buch „Alphorn – Wissen und Praxis“ fasst er Wissenswertes und Kurioses rund ums Alphorn zusammen. Auch ein Lehrbuch für Alphornschüler hat er verfasst und gibt sein Praxiswissen in zahlreichen Workshops weiter.
Das Alphorn-Center hat er ursprünglich zum Vertrieb von Noten und Alphörnern gegründet. Früher verkaufte er Instrumente von Neumann, Stocker, Bärtschi und vom alten Bernatone (Vorgänger von Heinz Tschiemer). Noch heute habe er von damals ein paar Schweizer Alphörner auf Lager, die er aber bei der preissensitiven deutschen Kundschaft nur langsam absetze. 2007 begann er dann mit der Entwicklung seines „Franzenhorn“. Er orientierte er sich dabei weniger an traditionellen Alphornbauern, sondern suchte die Zusammenarbeit mit Spezialisten des historischen Blasinstrumetenbaus (wie der Basler Rainer Egger oder dem 2021 verstorbenen Pionier der Resonanzmessung, Klaus Wogram). Franz sagt, dass die Entwicklung einer gut intonierenden Mensur sehr aufwändig war und er das kein zweites Mal machen würde. Inzwischen hat er seine Rolle im Alphornbau auf diejenige des Generalunternehmer reduziert. Die Teile lässt er sich von einem Schreiner in CNC fräsen. Auch Zusammenbau und Wicklung mit Rattan hat er ausgelagert. Erst am Schluss tritt er selber in Erscheinung, bei der „musikalischen Abstimmung“ und natürlich im Kontakt mit den Kunden. Die Buchhaltung macht danach seine Frau. Mehr als hundert Hörner setzt er so pro Jahr ab; über die Jahre dürften 1500 Franzenhörner entstanden sein.
Franz baut 3-, 4-, 6-, und 7-teilige Hörner. Die Platzierung der Buchsen bereitet gemäss seiner Erfahrung keine akustischen Probleme. Je nach Bedürfnisse bietet er Hörner mit unterschiedlicher Mensur – offene Mensur für kräftige, enge Mensur für weniger kräftige Bläser. Da die Maschine über 80% der Arbeit erledige, sei der Zusatzaufwand für eine breite Produktepalette vernachlässigbar. Über die Kombination von unterschiedlichen Holzarten versucht er, die Kangfarbe jeweils dem Kundenwunsch anzunähern. Er verwendet hauptsächlich österreichische Fichte, Erle und Weymouth Kiefer. Bei der Auswahl des Holzes setzt er explizit nicht auf feinjähriges Klangholz, und auch Mondholz ist bei ihm kein Thema. Wichtig ist ihm hingegen, dass es sich um leichtes Holz handelt, denn dieses sei in der Ansprache spürbar besser. Die Hörner sind gut verarbeitet, verzichten aber auf Hingucker – der Becherring ist aus einem Stück, Abschlussringe, Fuss und Fässchen sind maximal schlicht.
Am Rand des Uhuru konnte ich sein persönliches Alphorn ausprobieren. Es handelt sich dabei um sein nur 1.5 kg schweres „Alphorn Light“ aus „Spezialholz“ – die Holzart hütet er als sein Betriebsgeheimnis. Als Besonderheit weist Franz‘ Horn am Handrohr eine massive Verdickung am Handrohr auf (siehe in der Fotogalerie). Mit dieser jüngsten Entwicklung treibt Franz den Trend auf die Spitze, am Mundstück und Handrohr mehr Masse anzubringen. Ich kann bestätigen, dass sich diese Masse auf den ersten Zentimetern tatsächlich positiv auf die Zentrierung der Töne auswirkt. Franz‘ „Totschläger“ ist allerdings optisch und haptisch schon etwas gewöhnungsbedürftig. Das Horn spielt sich extrem leichtfüssig und geht wie eine Rakete in die Höhe. Man spürt sehr schnell, dass Franz den Fokus klar auf die leichte Ansprache und Beweglichkeit legt. Umgekehrt macht sich die geringe Gesamtmasse bei der Dynamik und im Klang bemerkbar – auch wenn ich mir im Lärm des Sturms dazu kein abschliessendes Urteil bilden konnte.
Franz propagiert bei deutschen Blechbläsern die Verwendung des Alphorns zur Verbesserung von Treffsicherheit und Kraft. Seine grösste Kundengruppe sind denn auch (teilweise professionelle) Blechbläser, die sich das Alphorn als Zweit- oder Trainingsinstrument anschaffen.
Je nach Ausführung kostet ein Franzenhorn zwischen 1’170-2’345 EUR (Preis ohne MWSt.). Franz bietet zu seinen Alphörnern Zusatzrohre in diversen Stimmungen; auch der Umbau in Saxophon- / Sousaphonalphorn ist möglich. Im Alphorn-Center führt er unterschiedliche Alphörner an Lager. In der Schweiz vertreibt resunar die Schüssele-Hörner unter Private Label.
Zusätzliche Informationen auf der persönlichen Website von Franz Schüssele und der Website des Alphorn-Center (beonders sehenswert die Videogalerie). Unten ein paar persönliche Eindrücke vom August 2023.
Fazit: Der Alphorn-Tausendsassa baut preislich attraktive, leichtfüssige Alphörner in variabler Mensur und mit verschiedenen Hölzern.
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