Die Pest der Alphornspieler

Viele Alphornspieler kennen einen grossen Feind beim intensiven Üben: Lippen-Herpes (herpes labialis). Dabei handelt es sich um die vorwiegende Krankheitsform der herpes simplex Viren Typ 1 (HSV-1; nicht zu verwechseln mit HSV-2, die sich via Geschlechtsverkehr verbreiten). Rund 90% der Bevölkerung hat in der Jugend eine Primärinfektion durchlaufen und trägt seither HSV-1 in sich. Meistens versteckt sich das Virus in einem latenten Zustand in den Nervenzellen, bricht aber bei einigen Virusträgern regelmässig aus.

Als möglicher Auslöser eines Lippen-Herpes-Ausbruchs gelten unter anderem: geschwächtes Immunsystem (beispielsweise bei einer Erkältung oder Grippe, aber auch generell jede Form von Stress), intensive Sonneneinstrahlung (Bade- oder Skiferien), physische Beanspruchung der betroffenen Regionen. Dieser letzte Punkt schlägt den Bogen zum Alphornspielen.

Ich kenne das Problem aus eigener, schmerzhafter Erfahrung. Jahrelang hatte ich fast monatlich einen Herpes-Ausbruch. In Erinnerung bleiben mir besonders Alphornwochen, bei denen ich alle fünf Phasen des Lippen-Herpes durchlebt habe:

  • Symptomfreie Phase: Lustvolles Alphornspiel
  • Ankündigung: Erste Anzeichen manifestieren sich (leichtes Kribbeln; kaum sichtbare lokale Rötung). Alphornspiel mit böser Vorahnung.
  • Brennen: Etwa ein Tag nach der Ankündigung beginnt die betroffene Stelle schmerzhaft zu brennen; Salben bringen nur kurzfristige Linderung. Alphornspielen wird unangenehm (und verlängert den Ausbruch).
  • Explosion: Etwa drei Tage nach der Ankündigung brechen die Bläschen auf und eitern fiebrig. Alphornspiel ist schmerzhaft (und riskiert die Verbreitung der Fieberbläschen über die ganzen Lippen); die Intonation leidet. Typischerweise fällt diese Phase auf das Abschusskonzert der Alphornwoche.
  • Krustenbildung: Etwa zwei bis fünf Tage nach der Explosion trockenen die Bläschen und bilden eine Kruste. Alphornspiel kann die Bläschen wieder aufreisen und die finale Genesung verzögern.

In den letzten Jahren habe ich so ziemlich jedes Mittel zu Vermeidung und Behandlung von Lippenherpes ausprobiert. Hier meine Schlussfolgerungen:

Prävention

Bis heute gibt es kein nachweislich verlässliches Wundermittel. Impfungen befinden sich seit kurzem in der klinischen Testphase.

Sinnvoll ist, die Auslöser eines Ausbruchs zu minimieren: genügend Schlaf, ausgewogene und gesunde Ernährung, massvoller Alkoholkonsum, Vermeidung von Stress und Sonnenschutz. Spezifisch für Alphornspieler gilt es, die Intensität des Spiels dem eigenen Trainingsstand anzupassen – es muss ja nicht stundenlang die erste Stimme sein. Und wenn man dann spielt, ist es sicher sinnvoll und angenehm, die Lippen regelmässig zu fetten (z.B. mit Trompetol)

Gewisse Nahrungsergänzungsmittel können die Häufigkeit von Lippenherpes reduzieren. Persönlich habe ich gute Erfahrung mit L-Lysin von Burgerstein gemacht. L-Lysin ist ein Protein und hat in meinem Fall die Häufigkeit von Lippen-Herpes-Ausbrüchen etwa halbiert. Andere Leute schwören auf Vitamin-B Komplexe und können sich dabei auf zahlreiche klinische Studien verlassen. Ich habe über längere Zeit hochwertige Vitaminpräparate eingenommen, dabei aber – bei ausgewogener Ernährung – keinen Effekt festgestellt. Möglich, dass das Mittel bei Leuten mit Vitamin-B-Insuffizienzen (z.B. Vegetarieren, die oft zuwenig Vitamin B-12 haben) wirkt. Es gibt auch Hinweise, dass Nahrungsergänzungen mit Zink und Vitamin D (vorallem im Winter) das Immunsystem stärken und damit Herpes-Ausbrüche reduzieren.

Ein relativ neues Präventionsmittel ist Lipivir. Lipivir ist eine Salbe, die täglich (auch in der symptomfreien Phase) aufgetragen wird. Ich verwende Lipivir seit etwa sechs Monaten und bin seither Fieberbläschen-frei. Ob das ein Zufall ist, weiss ich nicht. Schlüssige klinische Daten sind mir nicht bekannt und die Besprechungen im Netz sind sehr gemischt. [Update 2022: Inzwischen verwende ich lipivir seit bald drei Jahren – nicht immer regelmäßig. In dieser Zeit hatte ich insgesamt drei Herpes-Ausbrüche. In meinem Fall scheint die Creme effektiv zu wirken.]

Behandlung

Während Jahren habe ich verschiedene Salben ausprobiert, welche ab den ersten Symptomen aufgetragen werden. Die erste mir bekannte Salbe war Zovirax auf Basis von Aciclovir. Inzwischen gibt Kopien und Varianten (Aciclovir, Penciclovir und Famciclovir). Solche Medikament, welche die Viren besiegen wollen, haben in meiner Erfahrung etwas gemeinsam: sie wirken nicht wirklich. Diese subjektive Einschätzung wird durch verschiedene klinische Studien bestätigt, die unklare Resultate lieferten und im besten Fall bloss eine leichte Wirksamkeit all dieser Salben, Pillen und Spritzen fanden (Verkürzung der Leidensdauer um etwa 10-20%, siehe zum Beispiel hier). Auch Maschinen, welche die Virusherde mit lokaler Erhitzung unschädlich machen oder mit UV-Belichtung abtöten, haben bei mir keine spürbare Wirkung gezeigt. Meine Einschätzung lautet, dass ein Herpes-Ausbruch, wenn er sich einmal angekündigt hat, nicht mehr aufzuhalten ist.

Statt auf die Eliminierung der Viren setzte ich darum einzig auf die Karte Symptomlinderung. In den Anfangsphasen fette ich die betroffenen Stellen regelmässig mit einer Propolis-Lippencrème. Sobald das Brennen einsetzt, benutze ich Sikapur Med Gel von Dermapharm. Dieser Gel basiert auf Kieselsäure und bildet über den Bläschen einen feinen Film, der die Sektrete bindet. Der Film hat den Vorteil, dass man auch in der Explosions-phase noch (eingeschränkt) Alphorn spielen kann. Wenn sich dann die Kruste zu binden beginnt, trage ich eine Salbe mit Zink auf (früher die Weleda Fieberbläschen Salbe, in jüngerer Zeit eine irgendeine günstige Zinksalbe aus der Hausapotheke). Diese beschleunigt die definitive Heilung.

Fazit: Ich habe HSV-1 zwar nicht besiegt, habe aber damit zu leben gelernt.

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