Alphornbauer – Gérald Pot

Seit mehr als einem halben Jahrhundert befasst sich Gérald Pot intensiv mit dem Alphorn. Als Kind wurde er vom magischen Klang erstmals in den Bann gezogen. Mit neun Jahren begann er, selber Musik zu machen – sein Vater war Kapellmeister in der lokalen Blasmusik. Das Alphorn kam später hinzu. Über den Kontakt zum Bergbauer Pierre Cochard gelangte er auch zum Alphornbau. Cochard (hier in einer grossartigen Doku des TSR von 1976) hat ihm zwar nicht viele Geheimnisse vermittelt, verstand es jedoch, den Ehrgeiz des jungen Pot anzustacheln. Während der nächsten drei Jahrzehnte stieg Gérald in einer Chemiefabrik vom Mechaniker zum Techniker auf und baute in der Freizeit seine Alphörner. Seit seiner Frühpensionierung um die Jahrtausendwende kann er seine Zeit voll und ganz dem Alphornbau widmen.

Bis heute ist er immer noch auf der Suche nach dem noch besseren Instrument. Statt sich auf fluid-dynamische Computerberechnungen zu verlassen, geht er empirisch vor, so beispielsweise mit einem Test von sieben unterschiedlichen Prototypen. Mehr als 70 verschiedene Schablonen hat er schon gezeichnet. Er experimentiert immer wieder mit den unterschiedlichen Konizitäten der Teilrohre (jedes Teilrohr verläuft in sich linear, aber der Winkel nimmt vom Handrohr nach unten zu). Den Weg der grossen Mensur ist er in den letzten Jahren weitergegangen. Er hat Schallbecher und Stengel vergrössert und jüngst auch nochmals den Durchmesser der letzten Buchse um einen Zentimeter erweitert. Das Resultat der lebenslangen Suche unterscheidet sich deutlich von den Hörnern, die Gérald früher in seiner Karriere baute. Man merkt ihm den Stolz über seine jüngsten Instrumente an, wenn er in den Becher singt und das Holz zu schwingen beginnt.

Gérald macht aus seinen Erkenntnisse kein Geheimnis. Die Masse seiner Hörner könne sowieso jeder nachmessen und kopieren. Betreffend dem richtigen Holz hat er ganz klare Meinungen: er folgt nicht nur dem Mond und den Planetenkonstellationen sondern ist nach seinen Versuchen auch überzeugt, dass die Westseite des Baumes das bessere Klangholz hat – mehr als die Jahrringe bestimmen die „Sonnenwinde“ den Klang. Alphörner sollen aus geraden, nach links drehenden Baumstämmen gebaut werden.

Mit dem aus verschiedenen Kanthölzern geschnittenen Schachbrettmuster am Becher sind die jüngsten Kreationen optische Hingucker. In das Mosaik baut Gérald gerne Schweizer Kreuze oder das Savoyer Wappen. Die grosse Mensur sticht natürlich ins Auge – und schlägt sich im Gewicht der Hörner nieder. Eine clevere Lösung ist der patentierte Fuss, welcher um einen Stift dreht und durch zwei Magnete festgehalten wird. Dieser Mechanismus schützt das Instrument vor Beschädigungen durch unvorsichtige Bläser/innen. Die anderen Details sind betont schlicht. Gérald baut aus Überzeugung nur gewickelte Hörner. Hauptgrund ist auch hier der Schutz des Horns; er glaubt zudem, dass das Pedigrohr das Holz komprimiert und die Diffusion von Vibrationen verhindert. Bei der Wicklung verwendet er schmales Pedigrohr (3mm), was seinen Instrumenten einen feinen Touch gibt.

Gérald hat auf seinem Weg immer wieder mit hervorragenden Hornisten zusammengearbeitet. In der Alphornszene am bekanntesten ist Joszef Molnar, der lange als „Markenbotschafter“ Werbung für die Pot-Hörner machte. Im Gespräch bringt Gérald seine Bewunderung für die Blastechnik der professionellen Hornisten zum Ausdruck und betont, dass das grosse Volumen seiner Alphörner eben eine so solide Atemtechnik verlangen. Ich befürchte, dass ich beim Testspiel diesen hohen Standards nicht gerecht wurde. Um die Klangkraft – die Stärke der Pot-Hörner – wirklich einschätzen zu können, ist ein Test in einem engen Innenraum auch denkbar suboptimal. Ich habe immerhin gemerkt, wie sich der Klang mit zunehmender Dynamik wunderbar ausbreitete. Betreffend Intonation war das getestete Alphorn nahezu perfekt. Gérald stimmt seine Instrumente auf a1=442Hz und versucht, die kritischen Töne (vorallem die b) leicht in Richtung der gleichstufigen Stimmung bewegen. Die Instrumente sind auch überraschend beweglich, verlangen dazu aber eine stabile Stütze und gute Luftführung.

Seit langem verkauft Gérald seine Alphörner für 3600 CHF (inklusive Tasche und Mundstück). Wieviel Alphörner er über die Jahre gebaut hat, konnte er mir nicht verraten. Er macht aber kein Geheimnis daraus, dass seine Lieferfristen flexibel sind: wer ihn ärgert, wird lange auf ein Alphorn warten müssen. Nach langer Suche hat er mit Éric Mauron einen designierten Nachfolger gefunden. Gérald ist auf Facebook aktiv, hat jedoch keine funkionierende Website. Vor sechs Jahren hat Bernard Jeker ein detailliertes Video über die Herstellung eines Alphorns bei ihm produziert (nur auf französisch). Unten meine persönlichen Eindrücke von meinem Besuch im April 2023.

Fazit: Ein gewaltiges Alphorn mit breitem Klang und grosser dynamischer Breite. Ich wünsche Gérald, dass er seine Suche nach dem perfekten Alphorn noch viele Jahre weiterführen kann und er, wie er sagt, eines Tages seine Werkzeuge mitnimmt, um den Engeln im Himmel das Alphornblasen beibringen zu können.

Youtube Video: Deutsche Untertitel verfügbar (evt. in Youtube aktivieren)

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